Spezial

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Liebe Eltern, liebe Interessierte,
 
„Tischtennis – das ist doch kein Sport. Und wenn, dann bloß eine Randsportart.“
 
Solche Sätze hört man als Tischtennisspieler oft. Gerade als Kind oder Jugendlicher ist es auch viel „cooler“, einen „richtigen Sport“ zu
machen: Fußball, Handball, Basketball. Aber Tischtennis? Ein bisschen an so einem Tisch stehen und den Ball rüberheben?
Als sportlicher Ausgleich?
 
Ja und nein.
 
Tischtennis als sportlicher Ausgleich: Ja! Dastehen und den Ball rüberheben? Nein. Das ist Ping Pong, nicht Tischtennis. Wer in seiner
Freizeit Minigolf spielt, sagt ja auch nicht, Golf sei kein Sport. Tischtennis bietet mehr, als man denkt. Und eine Randsportart ist es
auch nicht. Der internationale Tischtennisverband ITTF besteht aus 222 Mitgliederverbänden und ist damit der größte Sportverband
weltweit. Mehrere hundert Millionen Menschen auf der Welt spielen Tischtennis.
 
Warum Tischtennis ein echter und toller Sport ist, was er Kindern und Jugendlichen bringt, und was einen erwartet,
wenn man mit Tischtennis anfängt, das möchte ich hier schreiben.
 
Was ist so toll an Tischtennis? Tischtennis fordert und fördert den ganzen Körper. Schnelle Bewegungen, die Koordination von Beinen, Rumpf
und Armen gleichzeitig bei einem Schlag, dazu mentale Anstrengung und Taktik spielen eine Rolle. Jeder Spieler kann seinen Spielstil
so gestalten, wie er möchte und jeder Gegner ist anders.
Es gibt so unglaublich viele Möglichkeiten, was Platzierung, Tempo, Rotation und Flugkurve eines Schlags angeht, und in Sekunden-
bruchteilen muss man als Spieler entscheiden, was jetzt gerade am besten ist. Dabei helfen koordinative Fähigkeiten wie die Antizipation,
also das Vorausahnen, was als nächstes kommt, oder die Orientierungsfähigkeit, die mir bei guter Ausprägung einen Überblick verschafft:
Wo stehe ich, wo steht der Tisch, wo der Gegner, wo ist der Ball? Die ganze Komplexität dieses Sports begreift man als Spieler erst nach
einigen Jahren Spielzeit. Um das alles zu verdeutlichen, versuche ich nun, die Gedanken eines Spielers während des gegnerischen
Aufschlags (der Angabe) zu verdeutlichen. Das Ganze ist etwas idealistisch, gibt aber einen guten Einblick. Es passiert – zur Erinnerung –
alles innerhalb von Sekunden:
 
„Ich stelle mich in die Grundstellung: Etwas in die Knie, Oberkörper vor, Schläger auf Tischhöhe. Mein Gegner wirft den Ball hoch, aber ich
schaue, was er mit seinem Schläger macht. Er holt mit weit geöffnetem – also flachem – Schlägerblatt aus. Der Ball kommt runter. Mein
Gegner ist auf der Vorhandseite sehr stark, läuft aber nicht so gern. Für seine Angabe steht er weit in der Rückhand. Ich sollte ihm also
weit in die Ecke zurückspielen. In der Rückhand-Ecke kann er seine Vorhand nicht benutzen und in der weiten Vorhand-Ecke kommt er
nicht rechtzeitig an den Ball. Jetzt schlägt er den Ball. Sein Schläger fährt unter dem Ball unten durch. Der Ball hat also Unterschnitt, wenn
er bei mir ankommt. Er dreht sich rückwärts. Also kann ich entweder auch unter den Ball fahren und mit einem passiven Schlag über eine
gute Platzierung (Ecke!) den Gegner in Bedrängnis bringen, oder ich greife den Ball an, wenn er lang genug ist (also nur einmal auf der
Platte aufkommt und dann dahinter runterfallen würde). Ich sehe, mein Gegner hat den Ball so geschlagen, dass er auf seiner Tischseite
ganz nah am Netz aufkommt. Ich weiß deshalb: Der Ball wird nicht lang genug, um ihn anzugreifen. Und er kommt auch auf meiner Seite
kurz hinter dem Netz auf, und zwar in der Mitte vom Tisch, wie ich an der Flugbahn erkenne.
Also: Rechtes Bein unter den Tisch, damit ich bis nach vorne komme. Den Ball nach dem Aufprall auf meiner Tischseite etwas hoch-
springen lassen, dann kann ich ihn schärfer in die Ecke spielen, weil ich ihn leicht nach unten drücken kann, da er ja über der Netzhöhe ist.
Ich nehme meine Vorhandseite zum Schlagen, um den Ball durch Abwinkeln meines Handgelenks sehr weit in die Vorhandecke zu
drücken und ihm noch etwas Seitschnitt, also eine seitliche Drehung, mitzugeben. Mit Schwung schiebe ich den Ball so weit es geht raus
auf die Vorhandecke. Mein Gegner hat nicht mit so einer Platzierung gerechnet und kommt nicht mehr an den Ball. Punkt für mich!“
 
Wie erwähnt – das ist sehr detailliert und vieles davon passiert unbewusst. Aber es verdeutlicht, dass man im Tischtennis nicht einfach nur
den Ball rüberspielt. Ein starker Schmetterball kann bis zu 140 km/h haben – und ist innerhalb von Millisekunden bei Dir. Stark angedrehte
Bälle der Topspieler erreichen bis zu 150 Umdrehungen pro Sekunde. Hält man den Schläger dann nicht im richtigen Winkel an den Ball,
fliegt dieser sonst wo hin, aber nicht auf den Tisch. Man sollte also den Ball schon so rüberspielen, dass die Schlagmöglichkeiten für den
Gegner eingeschränkt werden. Dabei muss man aber beachten, was für ein Ball vom Gegner kommt und wie man durch dessen
Platzierung, Rotation, Tempo und Flugkurve selbst eingeschränkt ist. Klingt furchtbar kompliziert, muss man mit der Zeit lernen, und das
lernt man auch mit der Zeit, keine Sorge.
 
Was für mich Tischtennis ausmacht? Die Tatsache, dass ich körperlich und geistig voll gefordert bin, dass Kraft und Körpergröße
kaum eine Rolle spielen, und dass ich selbst gegen technisch bessere Gegner mit einer guten Taktik trotzdem realistische Chancen habe.
 
Was bringt der Sport Kindern und Jugendlichen? Was ich eben geschrieben habe, klingt vermutlich extrem komplex. Keine Angst –
jeder fängt mal klein an und man lernt das alles nach und nach. So schlimm ist es dann nicht. Wenn man eine neue Sprache lernt, nimmt
man ja auch nicht als erstes ein Buch in dieser Sprache in die Hand und versucht, es zu verstehen. Man fängt erst mit ein paar Vokabeln
und Grundregeln der Grammatik an. So ist es auch im Tischtennis: Nach und nach lernt man Techniken, Taktik und mentale Kniffe.
Zur Erinnerung: Als Timo Boll mit vier Jahren in der Garage seines Vaters trainiert hat, wusste er auch noch nicht, was eine Taktik, ein
Unterschnittball oder ein leerer Aufschlag ist, und zehn Jahre später spielte er in der Herren-Bundesliga. Kinder und Jugendliche können
sich im Tischtennis viel bewegen, bauen Körperspannung auf, lernen, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder schnell
wieder in Konzentration hineinzufinden und haben Spaß, wenn der weiße Ball über das Netz fliegt. Wenn man im Einzel an der Platte
steht, kann der Gegner doppelt so groß und doppelt so alt sein – das ist völlig egal. Er muss allein deswegen nicht besser sein.
Im Doppel lernen die Doppelpartner, miteinander zu spielen, aufeinander zu hören und eine gemeinsame Taktik zu verfolgen. Tischtennis
schult koordinative Fähigkeiten mit einer Intensität, wie es nur wenige Sportarten tun.
Und wer in einem sehr knappen Tischtennisspiel einen kühlen Kopf bewahrt und nicht nervös wird, der lässt sich auch sonst im Leben
von nur wenigen Dingen aus der Ruhe bringen. Bei all dem kommt der sportliche Aspekt nicht zu kurz. Profis verlieren an einem
Wettkampftag durch die Anstrengung bis zu 2 kg Gewicht. Man kommt sehr schnell ins Schwitzen, wenn man Tischtennis richtig spielt.
 
Was erwartet Kinder und Jugendliche, wenn sie mit Tischtennis anfangen, und was wird gefordert?
Das große Problem am Tischtennis ist folgendes: Die Kinder haben einen langen Schultag hinter sich, mussten stillsitzen und sich
konzentrieren. Der Sport soll der Ausgleich sein. Wenn wir aber Übungen spielen, ist es wichtig, sich dabei zu konzentrieren, und das die
ganze Zeit. Natürlich spielen wir nicht das ganze Training lang nur Übungen, wir wärmen uns davor abwechslungsreich auf und machen
die letzte halbe Stunde freie Spiele (Mäxle, Matches, etc.). In der Übungsphase ist es aber für das technische Vorankommen wichtig, sich
zu konzentrieren und den Anweisungen der Trainer gut zuzuhören. Diese müssen natürlich relativ viel korrigieren, vor allem am Anfang,
weil die Techniken teilweise sehr komplex sind. Wie gut man sich bei den Übungen konzentriert, bestimmt, wie schnell man besser wird.
Aber auch beim Übungsdesign achten wir immer darauf, dass die Übungen spannend sind. Es ist also keine „unlustige Pflicht“, die man
halt machen muss. Es macht großen Spaß, Übungen zu spielen.
Aber es gilt: Je konzentrierter man das tut, desto schneller wird man besser. Wer sich gut konzentrieren kann, kommt schneller voran.
 
Probiert es doch einmal!
 
Wenn Ihr Euch nämlich jetzt immer noch wenig unter Tischtennis als Sportart im Verein vorstellen könnt, und das aber wollt, dann guckt
doch einfach mal vorbei und schaut es Euch an. Egal ob absoluter Neuling oder König des Pausenhofs: Bei uns kann man jederzeit mal
reinschnuppern. Und wenn es noch Fragen gibt, einfach einen der Trainer im Training fragen!
 
D. M.